An der Grenze zu Österreich kontrolliert wieder die Bundespolizei. Die Diskussion um Grenzkontrollen lenkt von den vier eigentlichen Herausforderungen ab, um die wir uns jetzt kümmern müssen:
Für die Soforthilfe hat der Koalitionsausschuss in der vergangenen Woche zusätzliche drei Milliarden Euro zugesagt. Das Beschleunigungsgesetz zum Umbau von Immobilien und der Ausbau von winterfesten Plätzen für Geflüchtete sind wichtige Stützen bei der Unterbringung. Dies ermöglicht Ländern und Kommunen kurzfristigen Handlungsspielraum. Zudem öffnen wir bestehende Integrationskurse für Asylsuchende. Indem wir das Leiharbeitsverbot für Asylsuchende aufheben, ermöglichen wir ihnen, schnell für den eigenen Lebensunterhalt aufzukommen. Das sind die richtigen Schritte. Aber ich sage auch offen: Dass wir dafür auf Druck von CDU und CSU die Verlängerung der Residenzpflicht und die Rückkehr zum Sachleistungsprinzip in Kauf nehmen müssen, finde ich rückwärtsgewandt und bürokratiefördernd.
Asylrecht wird nicht geändert!
Jeder Mitarbeiter in der Asyl-Verwaltung wird bestätigen, dass wir angesichts der vielen ankommenden Flüchtlinge organisatorisch überfordert sind. Deswegen müssen wir jetzt schnell den Druck von unserem Asylsystem nehmen. Es ist tragisch, aber der Krieg in Syrien wird nicht über Nacht enden. Den von dort flüchtenden Menschen wollen wir selbstverständlich zur Seite stehen. Die Einstufung weiterer Westbalkanstaaten als "sicher“ ist menschenrechtlich vertretbar, denn die Definition sicherer Herkunftsländer setzt nicht das individuelle Asylrecht außer Kraft. Mit der SPD gibt es keine Änderung am Asylartikel 16 im Grundgesetz!
Unabhängig von der Asylsituation wissen wir vom drohenden Arbeitskräftemangel in Deutschland. Wir wissen auch, dass vielen Menschen auf dem westlichen Balkan die Zukunftsperspektive fehlt und sie bereit sind, ihre Heimat zu verlassen. Ich war diesen Sommer in fast allen Ländern des Westbalkans unterwegs und kenne die triste soziale Realität. Deswegen müssen wir legale Wege zur Arbeitsmigration öffnen und die Menschen auf diesem Weg willkommen heißen. Dafür ist unser jetziger Plan der richtige: Wer vom westlichen Balkan kommt und einen tarifgebundenen Arbeitsvertrag in Deutschland nachweist, kann bei uns arbeiten. Das ist der erste Schritt auf dem Weg zu einem Einwanderungsgesetz, das wir als SPD seit langem fordern. Ich freue mich, dass sich nun auch die CDU dazu bekennt.
Integration große gesellschaftliche Aufgabe
Darüber hinaus brauchen wir jetzt eine ehrliche Diskussion über unseren langfristigen Plan zur Integration der anerkannten Asylbewerber in unsere Gesellschaft. Wir sollten die Fehler bei der Integration der Gastarbeiter nicht wiederholen. Die Integration der Ankommenden ist eine große gesellschaftliche Aufgabe. Wenn wir realistisch darauf schauen, wird diese Aufgabe viel Geld kosten. Wir wollen die Menschen fit für den deutschen Arbeitsmarkt machen. Wir brauchen qualitativ hochwertige Deutschkurse, betriebliche und schulische Ausbildungen, Plätze an Universitäten und dazu erschwinglichen Wohnraum. Das alles will bezahlt sein.
Die Frage ist nicht, ob wir das Geld brauchen, sondern woher wir es nehmen. Es darf nicht passieren, dass die Unterstützung der Geflüchteten auf Kosten anderer bedürftiger Gruppen geschieht. Denn unsere Gesellschaft ist für alle da. Je zielstrebiger wir die Integration finanzieren, desto schneller werden Flüchtlinge für ihren eigenen Lebensunterhalt aufkommen und zu guten Steuerzahlern.
Vorlage: Beitrag von SPD-MdB Josip Juratovic, Integrationsbeauftragter der SPD-Bundestagsfraktion, in der Frankfurter Rundschau vom 18.09.2015.