Diskussionsrunde „Heiliges Land - Konflikt ohne Ende“

21. Oktober 2016

Wie aktuell und präsent die kontroverse politische und gesellschaftliche Situation im „Heiligen Land“ ist, bestätigte der große Zuspruch an der Gesprächsrunde in meinem Bürgerbüro in Gemünden. In der Veranstaltungsreihe „Dou drü g'hört geredt“ diskutierten 25 Gäste zwei Stunden lang über den seit Generationen schwelenden Konflikt zwischen Israel und Palästina.

Das Thema des Abends lautete: „Heiliges Land - Konflikt ohne Ende“ und auf der Pinwand standen unter der israelischen und der palästinensischen Flagge einige Fragen, um die sich auch die anschließenden lebhaften Diskussionen drehen sollten: „Gibt es überhaupt eine Lösung?“ „Ist der Frieden überhaupt gewollt?“ „Welche Rolle spielt die Politik?“

Ich kenne die Situation aus mehreren Aufenthalten in Israel und Palästina. Deshalb äußerte ich direkt zu Beginn der Diskussion meine Einschätzung: wir werden heute keine Lösung finden, aber wir können miteinander reden, uns austauschen, um die Probleme sichtbar zu machen, um zu ergründen warum die Entwicklung so eintrat und wo es Lösungsansätze geben könnte.

Als Gäste mit „Nahosterfahrung“ begrüßte ich unter anderem Johannes Weismantel vom Diözesanbüro Main-Spessart, die Eheleute und Pastoralreferenten Edith und Burkhard Fecher, das Ehepaar Spahn aus Langenprozelten, das Reisen nach Israel organisiert und Dr. Matthias Gsänger vom Institut für Politikwissenschaft und Soziologie der Universität Würzburg, der den Konflikt seit Jahren wissenschaftlich analysiert.

2016-10 Dou drü Palästina

Ohne große Anlaufzeit entwickelte sich eine lebhafte Diskussion, weniger um die politische Sachlage, sondern mehr um die Auswirkungen des Konflikts auf die dort lebenden Menschen. Einige Gäste schilderten die beklemmende Situation der Israelis bei den Raketenangriffen der radikal-islamistischen Hamasbewegung, unter denen die jüdische Bevölkerung besonders während der Intifadas gelitten habe. Auf der anderen Seite wurde sehr wirklichkeitsnah das Problem angesprochen, das palästinensische Haus- und Landeigentümer haben, weil sie Repressalien militanter Siedler und des israelischen Staates ausgesetzt sind. Dazu zählten die eingeschränkte Wasserversorgung, Schwierigkeiten bei der Stromzufuhr oder dem Wechsel von palästinensischen Gebieten nach Israel. Besonders bei medizinischen Notfällen oder bevorstehenden Geburten käme es dadurch oft zu lebensbedrohlichen Situationen. Eine Besucherin, deren siebenjähriger Sohn die Deutsche und Palästinensische Staatsangehörigkeit hat, bestätigte die Lebensumstände in den von Israel besetzten Gebieten, dem Gazastreifen, dem Westjordanland und den syrischen Golanhöhen. „Wir wären schon zufrieden, wenn abseits von allen Staatenregelungen wenigstens das Zusammenleben wie zu den Zeiten des Urgroßvaters oder Großvaters meines Sohnes möglich wäre. Die meisten Menschen haben nur den Wunsch würdig und in Frieden leben zu können.“

Dr. Mattias Gsänger bestätigte diese Sichtweise. Es sei auf beiden Seiten nur ein geringer Prozentsatz der Bevölkerung, der am Konflikt interessiert ist. In Israel sind es die orthodoxen Siedler, die meist aus Osteuropa zugewandert sind und bei den Palästinensern ist es die islamistische Hamas. Deshalb lägen auch dort die Schlüssel für einen Lösungsansatz. Würden die radikalen Parteien „ausgetrocknet“, wozu es Mut bräuchte, könnten neue Friedensstrategien entstehen.

Von meinen Aufenthalten konnte ich berichten, dass es bereits kleine hoffnungsvolle Ansätze gibt. Das Willy Brandt Center ist beispielsweise ein einzigartiges Begegnungszentrum in Jerusalem. Dort treffen sich junge Menschen aus Israel, Palästina und der ganzen Welt auf Augenhöhe und über Grenzen und Konfliktlinien hinweg. Die Jugendlichen bringen sich in verschiedenen Projekten in den Bereichen Politik, Bildung und Kultur ein, bauen Vorurteile ab und suchen gemeinsam nach Lösungen für eine bessere Zukunft, ganz nach dem Leitmotiv des Friedensnobelpreisträgers Willy-Brandt: „Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts“.

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