Grundsicherung - Fragen & Antworten

31. Oktober 2025

Die Reform der Grundsicherung kommt – die Parteispitzen von SPD und Union haben die in der Koalition vereinbarten Eckpfeiler öffentlich vorgestellt.

Jetzt arbeitet das Bundesministerium für Arbeit und Soziales den Gesetzentwurf aus, bevor er ins Kabinett und danach in den Bundestag kommt.

Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas hat Mitte Oktober die Fragen der SPD-Mitglieder in einer Onlinekonferenz beantwortet. Für alle, die nicht dabei sein konnten, habe ich hier eine Zusammenfassung:

Bärbel Bas
photothek

Wie kam es zur Einigung in der Koalition und welche Rolle spielte die Debatte zum Sozialstaat?

Bärbel Bas: Die Debatte zum Sozialstaat wurde von der konservativen bis rechten Seite getrieben. Schon die Rhetorik im Wahlkampf war scharf und ihr Ziel klar: Menschen in Arbeit und ohne Arbeit gegeneinander auszuspielen. Dazu kamen haltlose Vorwürfe wie: „Die Menschen sind faul und arbeiten nicht genug.“ Selbst in die Mitte der Gesellschaft wirkt diese Spaltung hinein. Was wir eigentlich brauchen, ist ei-ne Debatte darüber, wie wertvoll unser Sozialstaat ist: Er erhält den sozialen Frieden in unserer Gesellschaft.

In den Verhandlungen in der Regierung ging es darum, den Ton wieder zu versachlichen. Wir haben einen Koalitionsvertrag abgeschlossen, in denen Verabredungen zur Reform des Sozialstaats stehen. Bei der Ausgestaltung geht es jetzt darum, unseren sozialdemokratischen Blick einzubringen.

Was ist unser sozialdemokratisches Ziel bei der Grundsicherung?

Wir stehen auf der Seite der Menschen, die den Sozialstaat brauchen. Viele Gründe können dazu führen, dass Menschen auf unseren Sozialstaat angewiesen sind: Schicksalsschläge, Pflegebedürftigkeit, Erkrankungen oder der Arbeitsplatzverlust. Unser Ziel ist, dass die Menschen wieder auf eigenen Füßen stehen können. Und dass alle wissen, welchen Anspruch auf Sozialleistungen sie haben und wie sie diese – leichter als bisher – wahrnehmen können. Dafür bauen wir Hürden ab.

Mit der Grundsicherung wollen wir Menschen helfen. Deswegen haben wir dafür gesorgt, dass die Agentur für Arbeit zusätzlich 1 Milliarde pro Jahr erhält, um den Menschen Qualifizierungs-Angebote machen zu können und sie so wieder in Arbeit zu bringen. Damit holen wir sie raus aus der Grundsicherung. Direkt nach Antragstellung gibt es ein persönliches Gespräch. Keine Papierberge, sondern Perspektiven. Gemeinsam wird vereinbart, wie der Weg zurück in die Arbeit gelingt. Die Union wollte unbedingt, dass sofort in Arbeit vermittelt wird. Genau das konnten wir im Koalitionsausschuss jetzt aber anders vereinbaren. Wenn eine Qualifizierung oder Weiterbildung einen nach-haltigen Erfolg für die Person auf dem Arbeitsmarkt bringt, dann hat das weiterhin Vorrang. Das gilt ins- besondere für junge Menschen. In der Diskussion mit uns hat auch die Union festgestellt, dass eine nach-haltige Vermittlung sinnvoller ist: Menschen bleiben länger im Arbeitsleben, wenn sie besser qualifiziert sind.

In der Sozialstaatskommission arbeiten wir jetzt parallel an Vorschlägen, wie man die Aufstocker aus dem System Grundsicherung herausholen kann: Menschen, die arbeiten und trotzdem auf die Grundsicherung angewiesen sind. Wir glauben, mit Arbeit und besser organisierten Transferleistungen wie Wohngeld und Kinderzuschlag können wir Menschen aus der Grundsicherung herausbekommen.

Was hat es mit den Totalsanktionierungen auf sich nach 3 bzw. 4 verpassten Terminen? Ist das noch verfassungskonform?

Die Grundsicherung war und ist kein bedingungsloses Grundeinkommen. Daher gibt es Mitwirkungs-pflichten, wenn man eine staatliche, steuerfinanzierte Leistung erhält. Diese gab es schon immer. Das SGB I regelt in § 66, dass Leistungen bei Pflichtverletzungen gekürzt bzw. gestrichen werden können. Solidarität lebt davon, dass alle mitziehen.

Bei sogenannten Totalverweigerern, die ein passendes Jobangebot verweigern, wird die Miete (Kosten der Unterkunft) nicht gekappt, selbst wenn die Geldleistungen gekürzt werden oder auf null gesetzt sind – die Miete wird direkt an den Vermieter gezahlt, besonders wenn es Kinder oder andere Mitglieder in der Bedarfsgemeinschaft gibt.

Um gute Hilfe gewährleisten zu können, ist es wichtig, dass es einen regelmäßigen Kontakt zwischen den Jobcentern und Hilfebedürftigen gibt. Bei wiederholten unentschuldigten Terminversäumnissen gab es auch bisher schon Leistungsminderungen. Künftig wird ab dem zweiten Terminversäumnis die Leistungsminderung von bisher 10 auf 30 Prozent erhöht. Erst ab dem dritten unentschuldigten Versäumnis wird die Geldleistung am Ende auf null sanktioniert und die Kosten der Unterkunft werden direkt an den Vermieter überwiesen. Gibt es auch danach keinen Kontakt, geht man künftig davon aus, dass die Person nicht erreichbar ist, und die Leistung wird vollständig eingestellt.

Natürlich gibt es auch eine Härtefallregelung, wenn Menschen krank sind. Denn wir wollen nicht die Falschen treffen. Das ist ein wichtiger Punkt für die SPD gewesen. Besonders was psychische Krankheiten angeht: Wir wissen, dass es Menschen gibt, die den Briefkasten nicht mehr aufmachen, die Probleme haben. Wir haben bei jedem Sanktionsschritt ein Anhörungsverfahren, das steht jetzt schon im Ge-setz. Deswegen werben wir um Vertrauen, bis der Entwurf der Öffentlichkeit wirklich vorliegt. Wenn jemand jedoch mehrfach Termine versäumt, auf Anschreiben und Anhörungsverfahren nicht reagiert, nicht da ist, wenn keine gesundheitliche Einschränkung vorliegt und vor allem, wenn das Jobcenter feststellt, da wohnt die Person gar nicht mehr, dann kann man nicht mehr rechtfertigen, dass wir weiterzahlen.

Werden Menschen durch die Sanktionen aus ihrer Wohnung gedrängt?

Wir drängen niemanden aus der Wohnung. Mit einem Quadratmeterdeckel will der Bund verhindern, dass auf Kosten der Jobcenter und zulasten der Menschen Geschäfte gemacht werden. Der Quadratmeterdeckel hilft gegen Vermieter, die banden- mäßig bis zu 20 Personen auf kleinstem Raum Mietverträge ausstellen. So ein Instrument haben die Jobcenter angefordert, um auf diese Ausnutzung des Sozialstaats reagieren zu können.

Wie werden Kinder geschützt, wenn wegen des Fehlverhaltens ihrer Eltern sanktioniert wird?

Bei Haushalten mit Kindern wird gewährleistet, dass nicht auf null gekürzt wird. Kinder haben einen eigenen Geldbetrag in der Grundsicherung. Wenn, dann wird nur der Regelbeitrag der Eltern gekürzt, wenn eine Pflichtverletzung vorliegt. Die Miete wird weitergezahlt – manchmal auch direkt an die Vermieter.

Wird das Schonvermögen gestrichen? Was passiert mit dem Ersparten in der Grundsicherung?

Lebensleistung zählt: Die Höhe des Schonvermögens soll an das Lebensalter anknüpfen. Die Freistellung weiterer Vermögensgegenstände, wie ein angemessenes Auto, eine selbst bewohnte angemessene Immobilie oder die Altersvorsorge, wird wie bisher beibehalten.

Sollten wir nicht eher Vermögen stärker besteuern und Steuervermeidungen und Steuerbetrug wirksamer angehen?

Dieses Land ist reich, die Vermögen sind aber ungleich verteilt. Unsere Position ist klar: Wir wollen vor allem große Erbschaften und Schenkungen stärker besteuern. Hierbei handelt es sich um „leistungsloses Einkommen“. Starke Schultern müssen mehr für die solidarische Finanzierung unseres Gemeinwesens leisten. Mit der Union ist das schwierig, wir haben im Koalitionsvertrag nichts dazu vereinbart. Steuerschlupflöcher können wir in dieser Regierung aber angehen. Genau daran arbeitet jetzt Bundesfinanzminister Lars Klingbeil für diese Legislatur.

Bärbels Fazit am Ende der Online-Befragung: Wir modernisieren die Grundsicherung, damit sie das tut, wofür sie da ist: Menschen den Weg in gute Arbeit zu ebnen, statt sie in Bürokratie zu verlieren. Das neue System setzt auf Vertrauen, klare Regeln und schafft Chancen für Aufstieg durch Arbeit.

Weitere Hintergründe zum Thema gibt es HIER.

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