Offene Fragen zur elektronischen Patientenakte in Partenstein diskutiert

31. August 2020

Auf Bitte des Partensteiner Hausarztes Dr. Wolfgang Nätscher habe ich gemeinsam mit Partensteins Bürgermeister Stephan Amend unlängst einen Austausch zur Digitalisierung im Gesundheitswesen und zum Ärztemangel auf dem Land organisiert. Am Runden Tisch im hiesigen Rathaus nahmen zudem meine Bundestagskollegin aus dem benachbarten Main-Kinzig-Kreis Bettina Müller, die stellvertretende Landrätin Pamela Nembach, der Wiesthaler Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Günther Polzer sowie eine Medizinische Fachangestellte aus Nätschers Praxis und einer seiner Patienten teil.

2020-08 Patientenakte Partenstein
Eine Diskussionsrunde zur elektronischen Patientenakte in Partenstein hatte ich gemeinsam mit Bürgermeister Stephan Amend (links im Bild) organisiert.

Im Zentrum des Gesprächs stand die elektronische Patientenakte (ePA) aus dem Haus von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), die die gesetzlichen Krankenkassen ihren Versicherten ab Januar 2021 anbieten müssen. Sie ist das zentrale Element der vernetzten Gesundheitsversorgung und der Telematikinfrastruktur. Ziel ist es mehr Transparenz über bereits in den Krankenakten vorhandene Daten und eine höhere Effizienz in der Versorgung durch die damit verbundene Entbürokratisierung zu ermöglichen. Kurzum: In der ePA sollen Befunde, Diagnosen, Behandlungsberichte sowie Informationen zu Medikamenten, Vorerkrankungen, Therapiemaßnahmen, Impfungen etc. gespeichert und die jeweils relevanten Daten zwischen den behandelnden Kliniken, Praxen, Apotheken und Krankenkassen ausgetauscht werden können. Dabei dürfen nur Daten gespeichert werden die vom Patienten ausdrücklich freigegeben worden sind. Hier kommt jedem einzelnen Patienten ein hohes Maß an Selbstverantwortung zu. „Im Notfall kann die ePA durch die schnelle Verfügbarkeit notwendiger Daten Leben retten“, ergänzte Bettina Müller, die als Mitglied im Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages mit dem Thema befasst ist.

Für Nätscher und Polzer bedeutete die Einführung der ePA erst einmal Aufwand, und Kosten. Seit März 2020 sind niedergelassene Ärzte zur Anbindung verpflichtet. Tun sie dies nicht, wird das von den Kassenärztlichen Vereinigungen mit einem Abzug in Höhe von 1% der Vergütung verrechnet, welcher weiter auf 2,5% steigt. Für Nätscher, der mit seinen 73 Lebensjahren „eigentlich seit acht Jahren in Rente ist“, ein Unding: Bisher stehe ein Nachfolger nicht in Aussicht, trotz jahrelanger Suche. „Weshalb sollte ich dann noch einmal investieren?“, fragte der Partensteiner. Er habe sich gefügt, erzählte Dr. Polzer, doch bisher nicht profitiert, denn das Programm laufe nicht, sondern verursache Folgekosten durch stets notwendige Upgrades. „Die Kassenärztlichen Vereinigungen machen sich hier einen schönen schlanken Fuß“, monierte Müller. Diese haben den „Sicherstellungsauftrag“ zur vertragsärztlichen Versorgung, sprich der ambulanten haus- und fachärztlichen sowie der psychotherapeutischen Versorgung übertragen bekommen und müssten für diesen auch geradestehen.

Skepsis bezüglich des Datenschutzes äußerte ein anwesender Patient Nätschers. „Die Speicherung in der elektronischen Akte ist freiwillig. Kein Patient muss sich beteiligen“, entgegnete Müller. Zudem sei beabsichtigt, dass die Teilnehmer jederzeit per Smartphone oder Tablet selbst auf seine Daten zugreifen, sie löschen und festlegen kann, wer außer ihm noch Zugang hat. Wie aber die medizinischen Daten unter dem Aspekt des Datenschutzes in der Praxis eingespeist werden sollen, müsse noch konkret geklärt werden, äußerte Nätscher ähnliche Bedenken. Wir werden die Digitalisierung – auch im Gesundheitswesen – nicht aufhalten, ist meine ganz persönliche Meinung. Umso wichtiger ist es sie zu gestalten, bevor es andere tun. US-Unternehmen seien schon seit über zehn Jahren dran, bei Krankenkassen einen Fuß in die Tür in Sachen Verarbeitung von Patienten-Daten zu bekommen, schilderte Polzer.

Abschließend boten wir an, offene Detailfragen und Anliegen zur Klärung durch die zuständigen Fachpolitiker mit nach Berlin zu nehmen. Dass die Ärzte diesbezüglich auch die Kassenärztliche Vereinigung mehr in die Pflicht nehmen sollten, wäre gleichwohl ebenso angemessen.

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