Wir beenden die Ausbeutung in der Fleischindustrie!

15. Dezember 2020

In den letzten Wochen habe ich für die SPD-Fraktion sehr intensiv mit den Kolleg*innen in CDU und CSU verhandelt.

Zahlreiche Änderungsvorschläge der Union, die das Arbeitsschutzkontrollgesetz aufgeweicht und somit teilweise wirkungslos gemacht hätten, konnten verhindert werden. Standhaftigkeit zahlt sich aus.

Fleischindustrie

Wir greifen entschlossen in den Fleischfabriken durch. Bessere Arbeits- und Lebensbedingungen werden Realität für alle Beschäftigten der Branche. Das Arbeitsschutzkontrollgesetz steht. Es adressiert in einmaliger Art und Weise die Verantwortung an die Inhaber*innen der Fleischfabriken und sorgt durch Kontrollen für die Einhaltung der Vorschriften. Damit wird ein Geschäftsmodell beendet, dass es viel zu lange gab. Ein Geschäftsmodell, dass durch Corona nochmal seine übelsten Seiten offenbart hat. Die Fleisch-Lobby, die das Gesetz verhindern wollte, hat sich getäuscht und zu früh gefreut.

Werkverträge werden mit dem Gesetz im Kernbereich der Fleischindustrie genauso verboten, wie die Leiharbeit beim Schlachten und Zerlegen. In der Fleischverarbeitung gilt auch ein grundsätzliches Verbot der Arbeitnehmerüberlassung. Nur per Tarifvertrag können in engen Grenzen und auf drei Jahre befristet Vereinbarungen getroffen werden. Das stärkt die Tarifbindung in einer Branche mit wenigen Tarifverträgen und baut deshalb die Rechte der Arbeitnehmer aus. Wir grenzen das Handwerk klar ab. Wir stehen damit für den Wert der Arbeit.

Arbeit prägt unser Leben – aber sie darf nicht die Gesundheit kosten. Alle müssen sich auf den Schutz der Gesundheit am Arbeitsplatz und die Eindämmung von Risiken verlassen können ─ unabhängig von Region und Branche. Arbeitsschutz ist allerdings nur wirksam, wenn auch kontrolliert wird, ob sich alle an die Arbeitsschutzregeln halten. Die Kontrollen durch die Arbeitsschutzaufsicht in den Ländern sind seit 2007 aber immer weiter gesunken.

Die eklatanten Mängel und Versäumnisse in der Fleischbranche wurden von massenhaften Corona-Ausbrüchen in Schlachthöfen offengelegt. Beim Schutz der Gesundheit besteht dringender Handlungsbedarf – es geht hier um elementare Arbeitnehmerrechte. Das Gesetz soll mit einheitlichen Kontrollstandards und höheren Bußgeldern für verlässlichen Arbeitsschutz sorgen.

Außerdem müssen in außergewöhnlichen Notlagen die Handlungsfähigkeit sichergestellt werden. In der Fleischindustrie wird die elektronische und manipulationssichere Aufzeichnung der Arbeitszeit zur Pflicht gemacht und der Einsatz von Fremdpersonal beim Schlachten und Zerlegen verboten. Nicht zuletzt wird die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften verbessert.

Die Regelungen im Detail:

Arbeitsschutzaufsicht

Die staatliche Arbeitsschutzaufsicht der Länder soll die Einhaltung des Arbeitsschutzes durch Betriebsbesichtigungen sicherstellen – allerdings geschieht dies aktuell nach Anzahl und Prüfgründlichkeit sehr unterschiedlich. Nun werden für alle Branchen bundesweit einheitliche Maßstäbe für die Prüfungen festgelegt: Die Anzahl der zu besichtigenden Betriebe soll schrittweise deutlich erhöht werden, sie muss Jahr für Jahr gesteigert werden, bis eine Mindestquote für Kontrollbesichtigungen in den Betrieben erreicht ist.

In Betrieben mit besonderem Gefährdungspotenzial müssen Kontrollschwerpunkte gesetzt werden. Ist die vorgegebene Prüfquote flächendeckend erreicht, soll unmittelbar geprüft werden, ob sie noch weiter angehoben und wie die staatliche Arbeitsschutzaufsicht noch weiter verbessert werden kann. Die Bundesregierung wird bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin eine Bundesfachstelle „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ einrichten, die sich um eine verbesserte Datenlage und mehr Transparenz in Sachen Arbeitsschutzkontrollen kümmert.

Und auch die Beschäftigten können sich darauf verlassen: Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit sind keine Glückssache. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann darum künftig in außergewöhnlichen Notlagen wie der aktuellen Pandemie zeitlich befristet besondere Arbeitsschutzanforderungen festlegen.

Kein Arbeitszeitbetrug in der Fleischindustrie

Die Arbeitgeber müssen für den Schutz der Gesundheit ihrer Beschäftigten bei der Arbeit sorgen. Arbeitsschutz nicht ernst zu nehmen, ist kein Kavaliersdelikt. Wer als Arbeitgeber gegen Arbeitszeitregelungen verstößt, hat derzeit mit Bußgeldern von bis zu 15.000 Euro zu rechnen. Dieser Höchstbetrag wurde seit 1994 nicht verändert. Aber Bußgelder müssen vorbeugend und leitend wirken. Darum wird der Bußgeldrahmen aktualisiert und der Höchstbetrag auf 30.000 Euro verdoppelt.

Das Überschreiten etwa von Höchstarbeitszeiten ist keine Lappalie, es kann die Gesundheit gefährden. Gerade in der Fleischindustrie ist das aber leider keine Seltenheit. Auch Mindestlohnvorschriften werden in der Fleischindustrie häufig unterlaufen. Darum werden die Arbeitgeber dort zur manipulationssicheren elektronischen Aufzeichnung der Arbeitszeit verpflichtet. So kann die Einhaltung von Vorschriften effektiver kontrolliert werden und so stärken wir Arbeitnehmer*innenrechte. Diese Aufzeichnungen und weitere für eine Kontrolle des Arbeitszeitgesetzes nutzbaren Unterlagen sollen auch von den Arbeitsschutzbehörden der Länder eingesehen werden können.

Verbot von Leiharbeit und Werkverträgen

Mit dem Arbeitsschutzkontrollgesetz wird das Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft umgesetzt, das die Bundesregierung am 20. Mai 2020 verabredet hat. Auch Arbeitgeber in der Fleischwirtschaft haben eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Beschäftigten. Undurchsichtige Strukturen führen jedoch bisher häufig dazu, dass Verantwortlichkeiten verwischt werden: So wurden etwa bei einem großen industriellen Betrieb die Kontrollen erheblich dadurch erschwert, dass die Arbeiterinnen bei bis zu 30 unterschiedlichen Werkvertragsunternehmen angestellt waren. Solche Konstruktionen werden künftig nicht mehr möglich sein. Beim „Kerngeschäft“ – dem Schlachten und der Zerlegung von Fleisch – dürfen künftig nur noch Arbeitnehmerinnen des eigenen Unternehmens eingesetzt werden.

Werkverträge sind ab dem 1. Januar 2021 nicht mehr möglich und Leiharbeit ist ab dem 1. April 2021 in der Fleischwirtschaft verboten. Nur Betriebe mit weniger als 50 Beschäftigten sind davon ausgenommen. Eine auf 3 Jahre befristete Ausnahmeregelung macht es auf Grundlage eines Tarifvertrags möglich, Auftragsspitzen ausschließlich in der Fleisch-Verarbeitung (nicht beim Schlachten und Zerlegen) durch Leiharbeitnehmer*innen aufzufangen – allerdings nur unter strengen Auflagen und Kontrolle:

  • Das entleihende Unternehmen muss tarifgebunden sein.

  • Für die Leiharbeitskräfte gelten vom ersten Tag an die gleichen Arbeitsbedingungen einschließlich Lohn wie für die Stammbelegschaft, die Arbeitszeit muss ebenso elektronisch und manipulationssicher dokumentiert werden. Zur Arbeitszeit zählen demnach auch dienstlich erforderliche Rüst-, Umkleide- sowie Waschzeiten.

  • Die Höchstüberlassungsdauer der Leiharbeitskraft ist auf 4 Monate begrenzt, vorangegangene Einsätze beim entleihenden Unternehmen werden mitgezählt, wenn sie weniger als 6 Monate zurückliegen. Auch durch einen Tarifvertrag kann von dieser Regelung nicht abgewichen werden.

  • Dabei darf der Einsatz der Leiharbeitskräfte höchstens acht Prozent des Arbeitszeitvolumens der Stammbelegschaft in der Verarbeitung ausmachen. So sollen gefährliche und menschenunwürdige Zustände beendet, Tarifpartnerschaft in der Fleischverarbeitung wiederbelebt und dadurch weiteren Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen der Weg geebnet werden. Zur besseren Kontrollierbarkeit müssen die Unternehmen die Behörden der Zollverwaltung über Beginn und Ende des Einsatzes von Leiharbeitskräften informieren.

  • Damit sich ausländische Arbeitnehmer*innen in ihrer Sprache über ihre Rechte und geltende Arbeitsschutzbedingungen informieren können, haben wir die Beratung „Faire Mobilität“ bereits im Rahmen der Umsetzung der geänderten EU-Entsenderichtlinie im Arbeitnehmer-Entsendegesetz verstetigt.

Verbesserungen bei der Unterbringung

Nicht nur in der Fleischindustrie bestehen Missstände bei der Unterbringung von ausländischen Arbeitskräften. Beschämende Berichte zeigten zuletzt Behelfs-Container-Unterkünfte oder Zimmer, in denen ausländische Arbeitnehmer*innen zusammengepfercht auf wenigen Quadratmetern zusammenleben müssen – und dafür unverhältnismäßig viel bezahlen.

Deshalb werden zur Verbesserung der Wohnsituation dieser Beschäftigten die bestehenden Bestimmungen für die Unterbringung durch den Arbeitgeber überarbeitet und in die Arbeitsstättenverordnung neue branchenübergreifende Mindestanforderungen für Gemeinschaftsunterkünfte aufgenommen, die auch dann gelten, wenn die Unterkünfte außerhalb des Betriebsgeländes liegen. Außerdem werden die in vielen Branchen üblichen Koppelungen arbeitsvertraglicher Regelungen mit Vereinbarungen zur Unterbringung oder Vermittlung von Wohnungen durch den Arbeitgeber erfasst.

Hierzu wird der Arbeitgeber verpflichtet, eine Dokumentation zu den von ihm oder in seinem Auftrag bereitgestellten Gemeinschaftsunterkünften zu erstellen, in denen Angaben zur Lage, den untergebrachten Beschäftigten sowie der jeweiligen Dauer der Unterbringung anzugeben sind. Auch mit einer flankierenden Änderung des Bundesmeldegesetzes werden die Kontroll- und Vollzugsmöglichkeiten der zuständigen Landesbehörden in diesem Bereich verbessert.

Mein Interview im BayernVorwärts zum Thema finden Sie hier!

BayernVorwärts Interview Screenshot

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