Kirchen müssen sich einmischen - was denn sonst?
Das Amt des Bundestagspräsidenten ist das zweithöchste politische Amt in unserem Land. Es soll parteipolitisch neutral und würdevoll ausgeübt werden, schließlich wird nach Artikel 40 des Grundgesetzes der Bundestag repräsentiert und damit das unmittelbar vom Volk gewählte Verfassungsorgan der Bundesrepublik Deutschland.
Seit wenigen Wochen ist Julia Klöckner als Bundestagspräsidentin im Amt und hat mit einem Interview zur Rolle der Kirchen nicht nur bei mir für Empörung gesorgt.
Ausgerechnet an Karfreitag und ausgerechnet in der Bild-Zeitung kritisiert sie politische Äußerungen der Kirchen. Die machten sich damit austauschbar wie eine beliebige NGO. Zwei Fliegen mit einer Klappe: Klöckner teilt sowohl gegen die wichtige Arbeit von NGOs aus als auch gegen das gerade im sozialen Bereich unverzichtbare Engagement der Kirchen. Als Beispiel nennt sie eine Äußerung pro Tempolimit auf Autobahnen, die ich noch nicht mal wahrgenommen habe. Dafür zahle sie keine Kirchensteuern. Wofür dann – gefällige Positionen, die den ihren entsprechen?
Die Kirchen und die Parteien mit dem C im Namen hatten lange ein mehr als gutes Verhältnis. In vielen Fragen waren sie einig, z.B. beim Thema Schwangerschaftsabbruch. Das scheint sich zu ändern. Die Kirchen beziehen selbstbewusst eigene Positionen, sei es in Migrationsfragen oder beim Umweltschutz. Das könnte ein Grund für Klöckners Äußerungen sein. Die gebotene Neutralität hat sie damit jedenfalls verletzt.
Ich bin dankbar für politische Äußerungen von Kirchen und finde, dass sie sich einmischen sollten, ja sogar müssen. Ohne einen sehr politischen Papst Johannes Paul II. hätte es wohl keine Wiedervereinigung gegeben und wenn sich Kirchen sehr laut einmischen, wenn die CDU/CSU gemeinsam mit der AfD abstimmt, dann zeigt das, dass der Kompass der Kirchen stimmt.
Natürlich müssen auch die Kirchen Kritik aushalten. Inhaltliche Auseinandersetzungen gehören aber zur Demokratie.