Klartext

…muss sie irgendwann wieder aufmachen. Oder anders ausgedrückt: Standpunkte sind nicht dazu da, um auf ihnen stehen zu bleiben. Dennoch war es richtig, und ich unterstütze es ausdrücklich, dass die SPD am Wahlabend den Gang in die Opposition verkündete.

Nach 2005, 2009 und 2013 haben wir 2017 zum vierten Mal hintereinander eine derbe Wahlschlappe von den Wählern bekommen. Diesmal gab es mit 20,5 % so richtig eins auf die Mütze. „Ein Weiter so!“ kann es nicht geben.

Nach 2013 haben die Grünen nun schon zum zweiten mal die Flinte ins Korn geworfen und sich aus dem Staub gemacht. Verantwortung für unser Land zu übernehmen sieht anders aus. Die Freien Demokraten haben gemerkt, dass man mit einer One-man-Show und bunten Plakaten zwar viele Stimmen einsammeln kann, es aber für ein substanzielles Arbeiten nicht reicht. Auch sie haben die Flinte ins Korn geworfen. Verantwortung für unser Land zu übernehmen sieht anders aus.

Und die Union: Die ist weiter zerstritten — aber auch völlig inhaltsleer. Ihr einziger Programmpunkt lautet: Regieren. Und wie immer hat Frau Merkel mit dem Scheitern gar nichts zu tun. Teflon klebt doch. Sonst würde Frau Merkel die Konsequenzen ziehen und ihr Amt niederlegen. Da sie allerdings alle potentiellen Nachfolger aus ihrem Umfeld seit Jahren vertrieben oder weggelobt hat, muss sie nun für alle Ewigkeit Vorsitzende der Union und Kanzlerin bleiben. Das hat sie verdient und wahrscheinlich will der Wähler das so.

Jetzt zu unserer Rolle: Türen zuschlagen geht nicht. Und Neuwahlen gehen auch nicht. Sollen wir den Wählerinnen und den Wählern das Wahlergebnis zurückgeben und sagen: „Wählen Sie doch bitte erneut, aber dieses mal besser“. Nein, das kann niemand wollen. Das Wahlergebnis lässt ja einiges zu, und das muss erst einmal versucht werden.

Da geht auch eine Minderheitsregierung und es geht auch eine GroKo, die gar nicht mehr so groß ist. Jetzt kommt es auf die Inhalte an und darauf wie wir miteinander sprechen. Der Bundespräsident führt Gespräche und es ist auch unsere Pflicht, dass wir miteinander ins Gespräch kommen. Wir sind doch keine Feinde, sondern nur Mitbewerber um die richtigen Antworten auf die Fragen der Zeit. 12 % der Weltbevölkerung darf in einer Demokratie leben. Was haben wir für ein Glück. Gott sei Dank. Am Ende kann alles stehen: Minderheitsregie-rung, doch Jamaika, GroKo oder Neuwahlen. Es wird Stimmen geben, die von Vernunft sprechen und es wird Stimmen geben, die von Verrat sprechen.