Klartext

Den Mindestlohn gesetzlich auf 12 Euro pro Stunde erhöhen? Ich halte das für den falschen Weg. Warum? Das habe ich in einer Rede im Bundestag begründet. Und so sieht das dann im Plenarprotokoll aus, das von den Stenografinnen und Stenografen des Deutschen Bundestages erstellt wird:

Jetzt hat das Wort Bernd Rützel für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Bernd Rützel (SPD):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ja, viele fordern derzeit einen höheren Mindestlohn, nicht nur Olaf Scholz, nicht nur, viel frü- her, Papst Leo XIII.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: 1891!)

– Matthias, ich habe erwartet, dass du das weißt. – Ich unterstütze das auch.

(Beifall des Abg. Bernd Riexinger [DIE LINKE])

Auch ich finde, dass der Mindestlohn höher werden darf, höher werden muss. Wer soll denn etwas dagegen haben? Ich sage aber auch: Wir machen das nicht per Gesetz. Wir sollten das denen überlassen, die dafür zuständig sind. Der Mindestlohn war und ist die Sozialreform, die wir in der letzten Legislatur auf den Weg gebracht haben.

(Beifall bei der SPD)

Er hilft und schützt 4 Millionen Menschen, die dadurch eine sehr große Lohnerhöhung erhalten haben und erstmals in sozialversicherungspfichtige Beschäftigung gekommen sind. Der Mindestlohn ist aber nach wie vor kein guter Lohn. Er ist eine Untergrenze gegen Lohndumping, eine Untergrenze gegen schlechte Bezahlung und Ausbeutung, eine Untergrenze für Wettbewerbsfähigkeit. Es ist gut, dass wir den Mindestlohn auf den Weg gebracht haben. Ich bin froh, dass Jamaika nicht zustande gekommen ist.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Kai Whittaker [CDU/CSU]: Da bist du aber einer der wenigen in der SPD!)

Denn Sie wollten – das kann man nachlesen – den Mindestlohn schleifen.

(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wo haben Sie das denn gelesen?)

Ich erwarte jetzt Widersprüche und Zwischenrufe; Matthias Zimmer, dir glaube ich, wenn du sagst, dass der Mindestlohn kontrolliert werden muss. Die Argumente dagegen werden unter dem Deckmäntelchen vorgebracht, dass die „schlimme“ Bürokratie abgebaut werden muss. Das geht man elegant an. Ich sage: Die Aufzeichnung von Arbeitszeit und die entsprechenden Kontrollen stellen keine bürokratischen Monster oder Zumutungen dar.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Mindestlohn kann nur wirken, wenn man ihn kontrolliert. Ich danke meinem Vorredner für dieses Argument. Alle hier sind sich im Klaren darüber, dass das Mindestlohngesetz ein klarer Eingriff in die Tarifautonomie gewesen ist. Zehn Jahre vorher war das nicht vorstellbar. Die Zeit war nun aber reif. Die Zeit war gekommen, und wir haben den Mindestlohn auf den Weg gebracht. Nun ist die Mindestlohnkommission zuständig. Die Aufgabe der Lohnfindung liegt wieder dort, wo sie hingehört, nämlich bei den Tarifpartnern. Da ist sie am besten aufgehoben, da gehört sie hin.

(Abg. Jutta Krellmann [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Vizepräsidentin Claudia Roth: Lieber Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Bernd Rützel (SPD): Nein. – Abschließend will ich sagen: Wenn wir uns weiter auf den Weg machen, die Tarifbindung zu stärken, wenn wir uns weiter auf den Weg zur Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen machen, wenn wir die Tarifautonomie schützen, wenn wir einen Pakt für gute Löhne unterstützen, wenn wir dafür sorgen, dass Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, mehr Rente bekommen, als sie an Sozialhilfe erhalten würden, wenn wir Leiharbeit und Werkverträge noch stärker zügeln, wenn wir die Arbeit auf Abruf – das ist eine schlimme Sache – eindämmen, dann wird durch diese flankierenden Maßnahmen auch der Mindestlohn steigen. Dann sind wir auf einem guten Weg. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)